BSA und Triumph Unit Twins, sludge trap aka Schlammhülse

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Phil
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BSA und Triumph Unit Twins, sludge trap aka Schlammhülse

Beitrag von Phil »

Stand: 23. Juni 2023


Hallo Leute,

und weiter geht es mit den Standard-Reparaturanweisungen.
Eine wichtige Anmerkung vorab: Das How to-Ding soll zeigen, wie man das machen kann.
Jedwede Verantwortung für die Richtigkeit des Vorgehens lehne ich ab, Ihr macht das ggf. auf Euer eigenes Risiko nach oder auch nicht. Korrekturen oder zusätzliche Anmerkungen sind willkommen und gern gesehen.

:halloatall:

Es geht in dem kleinen Beitrag darum, die Schlammhülse aka sludge trap eines BSA- oder Triumph-Zweizylinders als Unitausführung auszubauen und zu säubern.
AFAIK haben die Norton Commandos gebaute, d. h. aus mehreren Teilen zusammengesetzte, Kurbelwellen, die sollten so etwas nicht haben, bei den kleinen Twins so à la Navigator oder Electra aber gibt eine Bildersuche auch Stopfen her. Da wäre das Prinzip aber dasselbe.

So eine Schlammhülse ist nichts anderes als ein Ölfilter, der im Betrieb aufgesammelte unerwünschte feste Bestandteile des Moderöls wie Verbrennungsruß, Verschleißmetalle, mineralischer Staub etc. per Zentrifugalkraft vom eigentlichen Öl trennt und eben in der Schlammhülse ablegt.

Das Prinzip ist eigentlich ganz schlau, es hat nur den Haken, dass das Fassungsvermögen der Hülse durch die Geometrie begrenzt ist. Irgendwann ist die Hülse voll mit festen Bestandteilen und ab einem bestimmten Punkt behindert das den Zufluss des Öls zu den Pleuellagern mit allen negativen Auswirkungen. Die Schlonze da drin neigt ab einem bestimmten Zeitpunkt echt dazu, geradezu zu versteinern. Anfangs ist das noch pastös, später wird das Zeuch hart.

Anbei mal ein pic solcher Ablagerungen.

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Die Ölfilterung bei den besprochenen Mopeds basierte ab Werk einzig und alleine auf dem Zentrifugalfilter.
Die Siebe, die es im aus dem Öltank raus im Zulauf zu der Primärseite der Ölpumpe und ggf. vor dem Ansaugrüssel im Sumpf vor der Sekundärseite der Ölpumpe gibt, dienen schlicht und ergreifend nur dem Zweck, grobe Teile von der Ölpumpe fern zu halten. Alldieweil die das gar nicht mag, wenn man ihr Brocken statt Öl präsentiert.
Mittlerweile ist es so, dass die Motorenöle anders additiviert sind als Anno Tobak, sie mehr Verschmutzung in der Schwebe tragen können und eh nicht so zur Bildung von Ölschlamm neigen wie die alten Formulierungen wie z. B. API SA oder SB. Es ist heute weit verbreitet, dass man die brätischen Konstruktionen der Mopeds auch mit einem nachgerüsteten Ölfilter ein wenig zeitgemäßer ausgestaltet. Ich für meinen Teil halte die Nachrüstung eines externen, wechselbaren Ölfilters für notwendig an den hier besprochenen Mopeds.

Auch wenn man halbwegs manierliche Ölwechselintervalle an seinem Moped einhält und einen Filter verbaut hat, es empfiehlt sich doch dringend, die Hülse bei einer Motorrevision raus zu fummeln und zu reinigen. Blöd ist halt, dass das nur geht, wenn man den Moder komplett zerlegt, die Kurbelwelle aus- und die Pleuel abbaut.
Aus dem Bauch raus denke ich, dass ohne Reinigung der Hülse vielleicht 50 oder 60 tkm ganz gut gehen, viel länger wäre mir aber eher suspekt.

Sooooo, das war das Präludium. :mrgreen:

Das Werkzeug, das man dafür braucht bzw. das ich dafür nutze, ist ein Schlagschrauber und eine gut passende Stecknuss mit Schlitz, ich hab‘ eine Nuss von Gedore, die eine Mörderkohle gekostet hat. Der Witz ist eben, dass die Stopfen ab Werk Schlitze hatten. Wenn man Glück hat, dann war da schon mal einer dran und hatte dann einen Stopfen mit Innensechskant verwendet, was die Sache leichter macht.

Man braucht auch eine stabile Werkbank mit einem Schraubstock für Erwachsene dabei. Ihr wollt nicht, dass Euch die Kurbelwelle runter fällt, am Ende noch auf einen Lagerzapfen drauf..

Ihr spannt die Kurbelwelle am Schwung in den Schraubstock und dreht selbigen richtig fest.

Ich mache den Ausbau des Stopfens immer stumpf mit dem Schlagschrauber, zumindest solange der Schlitz des Stopfens nicht total verhunzt ist. Der Stopfen hat ein normales Rechtsgewinde.

Das geht in der Regel ganz gut damit, wenn man die Körnerpunkte, mit denen der Stopfen ab Werk gesichert war, vorher ausbohrt.

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Wenn der Schlitz schon mucho verhunzt ist, sich der Stopfen nicht dreht und stattdessen die Stecknuss aus dem Schlitz raus rutscht, dann gibt es ein kleineres Problem.

Dann bohrt Ihr möglichst zentrisch ein Loch in den Stopfen. Manche Leute sagen, man kann versuchen, eine etwas größere Torx-Nuss in das Loch rein zu klopfen, und dann zu drehen.
Ich hatte das in der Vergangenheit aber nicht gemacht, schlicht, weil ich Mores habe, dass die Torx-Nuss abbricht und ich dann einen harten Werkzeugstumpf in der Bohrung sitzen habe, den ich nicht ohne Hartmetallbohrer raus wurschteln kann.

Die in so einem Falle von mir favorisierte Lösung ist, dass ich nach Herstellung eines entsprechenden Kernlochs ein M8 oder M10-Gewinde in den Stopfen schneide. Dann eine Sechskant-Schraube rein und die auf dem Stopfen anschweißen. Dann wieder den Schlagschrauber mit der entsprechenden Nuss ansetzen und gib ihm. Zumindest bei mir hat das immer geklappt auf die Tour.
Der Einsatz eines Schweißgeräts auch auch den Charme, dass es evtl. vom Vorgänger zum Einsatz gebrachtes Loctite so heiß macht, dass es nicht mehr nennenswert klebt.

Zur Vorbereitung dieses kleinen Artikels hab‘ ich eine A65-Welle mit einem ziemlich verhunzten Schlitz aus dem Fundus gezerrt und versucht, an selbiger den Stopfen raus zu bekommen.

Zur weiteren Erläuterung sehet die folgenden Bilders, die das Drama in all seiner nicht vorhandenen Pracht und Herrlichkeit zur Schau stellen.

So sah der Stopfen aus.

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Körnerpunkte weg gebohrt, die Stecknuss in den Schlitz rein geklopft, so gut es ging.

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Der fehlgeschlagene Versuch, den Stopfen auszudrehen, hat den Schlitz noch mehr verhunzt.

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Ein Loch in den Stopfen rein gewürgt, dabei natürlich eingehakt und einen 4 mm-Bohrer abgebrochen... :facepalm2:

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Schraube rein, in dem Falle eine Mutter draufgebraten, nachdem der Innensechskantkopf der M8 rund gedreht war... :facepalm2: :facepalm2:

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Aber raus ging das Ding dann auf die Tour, wie man auf dem pic sehen kann... \:D/

Wenn Ihr den Stopfen raus habt, dann ist IMHO das Schlimmste vorbei.

Jetzt müsst Ihr die Schraube am Schwung, die in die Hülse eingreift, raus drehen. Die entsprechende Schraube war ab Werk geklebt und geht daher recht schwer raus. Auch hier ist der Schlagschrauber ggf. Euer Freund.

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Auf dem Bild sieht man ganz gut die an der Schraube angeformte Verlängerung, die in die Hülse eingreift und sie sichert. Bei den Amis sagen die da tit dazu…

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Jetzt kann im Prinzip die Hülse raus gezogen werden. Wenn der Füllstand an Schlonze in der Hülse hoch ist, macht es Sinn, erstmal mit einem Bohrer einen größeren Teil des Zeuch raus zu holen.

Ihr könnt dann mit einem Finger in die Hülse rein fassen und mal wackeln, wenn sie wackelt, geht sie in der Regel gut raus.

Tut sie das nicht, dann könnt Ihr versuchen, die versteinerte Schlonze, die zwischen der Hülse und der Kurbelwelle sitzt, mit Bremsenreiniger über Nacht anzulösen. Das kann gehen, muss aber nicht.

Wenn es mit der angelösten Schlonze nicht geht, dann macht Euch ein Werkzeug, wie das nachfolgend abgebildete.
Ein Foristo (Hellmut IIRC) hatte das mal vor Jahren hier gezeigt.

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Das ist eine hundsnormale Gewindestange M12, die am Ende eine kleine Querbohrung hat, in die ein M5-Gewinde eingeschnitten ist. In dieses Gewinde dreht Ihr eine Madenschraube M5 rein und lasst sie etwas überstehen. Dann die Gewindestange in die Hülse schieben und die Madenschraube in der Bohrung einhaken, wo vorher die Schraube mit der Titte war. Wenn Ihr dann vorher eine Nuss auf die Gewindestange aufgefädelt hattet, könnt Ihr die Hülse nun damit ausziehen, indem Ihr eine M12-Mutter über die Nuss auf dreht.

Wenn es wieder nicht geht, dann versucht, einen Gewindebohrer M14 oder M16 in die Hülse zu drehen und ihr damit ein Gewinde zu verpassen. Dann eine entsprechende-Schraube eindrehen und daran zerren oder einen Adapter machen für den Gleithammer aka Wichser und dann eben mit dem Gleithammer versuchen.

Im allerallerhartnäckigsten Fall, geht es mit den Gewindebohrern auch nicht. :shock:

Dann sucht Euch eine Butze, die eine anständige Fräse oder Standbohrmaschine hat und lasst in Gottes Namen die Hülse raus bohren.

Schaut, ob das Gewinde des Stopfens gut läuft, oder ob es an einem neuen Stopfen, den Ihr Euch mit Innensechskant besorgt habt, einen Span zieht.

Prüft bitte, bevor Ihr den Stopfen da rein dreht, ob es der richtige ist. Wie gesagt, er sollte einen Innensechskant statt des Schlitzes haben, er muss sowohl vom Gewindedurchmesser, von der Steigung als auch von der Länge her wie der ausgebaute Stopfen sein.

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Sollte es wirklich einen Span ziehen, dann schneidet das Gewinde nach.

Bei der Klopferei mit dem Körner im Werk ist das Gewinde auf den ersten Gängen manchmal etwas verformt, was das Ansetzen des Stopfens schwierig macht und zu den Spänen führt. Das Ansetzen und die ersten Gänge sind das Problem, seid da vorsichtig und kurbelt nicht wie die Wilden bis ans Ende des Gewindes. Das Gewinde sollte schon stramm gehen, weil Ihr wollt ja nicht, dass der Stopfen sich im Betrieb löst.

Bei den späten A65 so ab ca. 1966 und den T120-Triumphen ist das ein 7/8“UNEF-Gewinde mit 20 tpi. Die Gewindebohrer sind meistens ziemlich teuer, aber manchmal tauchen sie auch für einen Zehner oder Zwanni bei I-Bäh oder den I-Bäh-Kleinanzeigen auf.

Messt den alten Stopfen, den Ihr ausgebaut habt, nach in Sachen Gewinde und vergleicht ihn mit dem Gewindebohrer, bevor Ihr da den Gewindebohrer rein dreht.

Stopfen läuft soweit? Okay, jetzt geht es ans Putzen.

Zum Putzen der Kurbelwelle nehme ich einen Akkuschrauber, zylindrische Stahlbürsten, die man in den Schrauber einspannen kann, Pfeifenreiniger und viel Bremsenreiniger. Und natürlich eine Taschenlampe, damit Ihr das Ergebnis Eurer Putzaktion auch begutachten könnt.

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Dann tüchtig Bremsenreiniger rein und mit der zylindrischen Stahlbürste da drin rum eiern.

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Vorsicht, es ist eine ziemliche Sauerei, stellt Euch eine Wanne unter, damit der Dreck nicht überall in der Werkstatt rum suppt.
Immer wieder Bremsenreiniger rein sprühen und bürsten. Irgendwann sieht es dann sauber aus.

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Dann bringt Ihr die Pfeifenreiniger zum Einsatz und macht die Querbohrungen in den Hubzapfen mit den Dingern sauber. Ihr werdet erstaunt sein, was da für Dreck raus kommt.

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Versucht auch alle Ölkanäle der Kurbelwelle mit den Pfeifenreinigern zu bearbeiten. Das nachfolgende Pic ist von einer A65-Welle, da sieht man die Bohrung vom steuerseitigen Hauptlagerzapfen in die Kammer der Schlammhülse. Ich weiß gerade nicht mehr, wie das bei den Triumphen gemacht ist, aber man kommt da sicher auch ein Stück weit rein.

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Vergesst auch nicht die Gewindebohrung für die Schraube mit der Titte zu reinigen und zu entfetten.

Wenn Ihr happy seid und es Euch sauber vorkommt, dann putzt noch 10 min weiter. Es ist wirklich wichtig, dass das richtig supersauber ist.

Wenn die Putzaktion zu Ende ist, dann schwemmt die Kammer und alle Kanäle mit Bremsenreiniger frei und blast sie mit Druckluft aus. Ihr wollt alle Rückstände einschließlich der vom Pfeifenreiniger abgegangenen Borsten da raus haben.

Die Hülse als solche ist ein einfaches Blechteil, leider leider leider gibbet die Dingers im Handel nur noch in sehr sehr zweifelhafter Qualität als Nachfertigung.
Hier mal ein Bild von pattern parts-Hülse und einer, die da ab Werk drin war.

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Man bekäme die pattern parts-Hülse schon irgendwie rein, nur beim nächsten Ausbau wird das kein Spaß, weil sie dann richtig fest sitzen wird. Der Kopf formt sich dann dann an der Welle entsprechend an und klemmt.

Man kann IME die ollen Hülsen aber wiederverwenden, so lange sie mit den Fingerchen oder mit dem Ausziehwerkzeug leicht raus gegangen und nicht verformt sind.

Dann putzt man die Hülse wie die Kammer in der Welle mit den Bürsten und Bremsenreiniger, bis sie tippitoppi sauber aussieht und strahlt.

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Wenn das dann so weit alles sauber ist, setzt man die Hülse wieder ein. Mit dem Fingerchen so weit einschieben, bis die gezeigte Bohrung zu sehen ist, wenn man von oben in die Gewindebohrung für die Schwunghalteschraube rein linst.

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Dann die Schraube mit der Titte nochmal entfetten und Loctite mittelfest drauf machen. Die Schraube dann eindrehen und dabei von der Stopfenseite her rein peilen, dass die Titte auch zu sehen ist beim Einschrauben. Dann habt Ihr die Bohrung in der Hülse richtig getroffen.

Dann die Schraube fest ziehen mit dem im workshop manual angegebenen Drehmoment.

Schaut das nach, bei der A50/A65 sind das 30 lb.ft. bzw. 40,7 Nm.

Jetzt ist das Opus fast am Ende, weil Ihr nur noch den Stopfen einschrauben müsst.

Ich nehme dazu etwas Loctite mittelfest an den Stopfen dran und schraube in damit bündig zur Kurbelwange ein.
Wie schon gesagt, der Stopfen darf sich nicht lösen.

Insofern scheint es sinnvoll, zu dem chemischen Gürtel auch noch den mechanischen Hosenträger dazu zu nehmen, sprich: ich klopfe da meistens noch mit dem Körner einen Punkt drauf. Das Gekörne macht aber bitte im Stopfen und nicht an der Kurbelwange.

Am Ende funktioniert die Hemmung des Stopfens beim Drehen so, dass das Gewinde etwas verformt wird und deshalb klemmt. Es ist daher nicht soooo relevant, wenn man die Punkte nocht exactement an den ‚alten‘ ausgebohrten Punkten der Wange macht.

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Soooo, das war es vorerst mal. Ich hoffe, der Beitrag nimmt vielleicht einem Foristo die Bedenken, so etwas nicht selber machen zu können. Wie im Präludium erwähnt, die Ölversorgung Eurer Pleuels funktioniert nicht mehr, wenn die Hülse voll ist.

Es ist ein vergleichsweise schmutziges G’schäft, aber definitiv kein Hexenwerk.

Sehr sehr gerne lass' ich mich korrigieren, falls in dem Geschreibsel was Falsches oder Zweifelhaftes stehen sollte. Tut Euch keinen Zwang an.

Beste Grüße

Ph.
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