Hubzapfen

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RoadRocket
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Hubzapfen

Beitrag von RoadRocket »

Guten Morgen die Damen und Herren

Vermutlich stehe ich im Moment auf dem Schlauch, aber kann mir mal jemand erklären wie ein Hubzapfen unrund werden soll wenn nur Alupleuel mit den Lagerschalen drauf laufen? Das Material des Hubzapfens ist doch bedeutend härter.

Die Situation ist folgende: An einem englischen 650er Motor lösste sich eine Pleuelschraube, der Kolben schlug natürlich an den Ventielen an, aber der Fahrer reagierte sehr schnell und stellte den Motor ab. Nach gründlichem Ausmessen scheint der Hubzapfen nun unrund zu sein! Kann das sein oder wurde da beim schleifen schon nicht sauber gearbeitet?

Eventuell kann mich hier jemand behellen.

Gruss

Phil/zwo
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Tim
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Re: Hubzapfen

Beitrag von Tim »

RoadRocket hat geschrieben:Vermutlich stehe ich im Moment auf dem Schlauch, aber kann mir mal jemand erklären wie ein Hubzapfen unrund werden soll wenn nur Alupleuel mit den Lagerschalen drauf laufen? Das Material des Hubzapfens ist doch bedeutend härter.
Das härtere Material verschleißt langsamer, aber nicht gar nicht. Deswegen kann man ja bei relativ geringem Verschleiß auch nur die Lagerschalen erneuern, ohne die Welle zwangsläufig schleifen zu müssen. Und unrund ist der Verschleiß immer, da die umlaufende Kraft winkelabhängig zu- und abnimmt. Bei ca. halbem Kolbenweg ist das System kurzzeitig sogar kraftfrei, also genau dann, wenn die Pleuelkraft auf Bereiche zeigt, die wenig verschleißen.


Tim
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RoadRocket
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Re: Hubzapfen

Beitrag von RoadRocket »

Moin Tim

Danke für die Erklärung. Ich konnte mir das einfach nicht vorstellen das dem so ist. Na gut, dann muss die Welle eben auch noch zum Schleifer. Schade.

Gruss

Phil/zwo
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Re: Hubzapfen

Beitrag von Norton »

Es gibt hier einen auf den ersten Blick nicht sofort verständlichen Grundsatz.
Weich frisst hart.
Dir Ursache ist die oftmals abbrassive Wirkung weicher Lagermaterialien, weil sich harte Partikel in die weiche Oberfläche einlagern und das Gegenüber dann bearbeiten. Alle Buntmetalle haben diese Eigenschaft.
Wichtig bei solchen Paarungen ist genügend und vor allem sauberer Schmierstoff, egal ob Öl, oder eben auch Fett.
Ist das Motorenöl nicht wirksam filtriert durch einen Filter, oder noch weitergehend einem Magneten (der bis auf Atomstärke alles eisenmettallische aus dem Öl zieht), oder wie bei vielen unsrer Engländer, einem Zetrifugenfilter, dann lagern sich die harten Späne vom Nockenabrieb, oder Grauguß aus dem Zylinder, in den Gleitlagerschalen ab und machen den Hubzapfen unrund und erzeugen neue Späne und damit neuen Abrieb.
Hilfreich ist auch noch ein richtig harter Hubzapfen, oder eben eine gehärtete Welle als gegenüber der Bronzebüchse.....
Wichtig erachte ich aber auch noch die Qualität des Öls und aus dem Grunde halte ich nix von alten Öltechnologien wie Einbereichsöl. Im kritischen Moment, sprich bei kaltem Motor und Öl, kommt das Öl nicht dort an, wo es soll, sondern spritzt zum großen Teil am Überdruckventil weg und der unheilvolle Kreislauf vom Verschleiß und neuem Verschleiß kommt in Gang. Es findet einfach keine richtige Durchölung statt.
Der gleiche Effekt ensteht auch beim Kolbenhemd (aus Alu) und der Zylinderlaufbahn. Ist das Kolbenhemd voller Späne, gehts der Zylinderlaufbahn an den Kragen. Einen alten Trick hat mir da neulich so ein altes Nürnberger Motorradurgestein verraten. Zu sprechen kamen wir auf ein Klemmerproblem und dem rausätzen vom eingeriebenen Alu in einem Graugusszylinder. Worauf er mit dann erzählt hat, daß sie früher Kolbenhemden mit Salzsäure abgesäuert haben, um sicherzustellen, daß keine Späne drin sind.
Die alten Haudegen wissen oft noch richtig gute Tricks! :respekt:

Gruß. Martin.
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RoadRocket
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Re: Hubzapfen

Beitrag von RoadRocket »

Hallo Martin

Herzlichen Dank für deine ausführliche Erklärung. Da hab ich grad wieder was wichtiges gelernt, was ich so noch nie genau bedacht habe. Tja, die Alten wussten eben auch schon richtig bescheid.

Besten Dank nochmals an dich und Tim

Gruss

Phil/zwo
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Gerd M.
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Re: Hubzapfen

Beitrag von Gerd M. »

Reibung ist das Zauberwort ...
Reibung ist bei einem Kurbeltrieb immer vorhanden und in dem Bereich, wo das Gleitlager (Pleuellager) am stärksten gegen den Zapfen gepreßt wird, ist sie am größten.
Also bei der Explosion, die immer in derselben Stellung Pleuel zum Hubzapfen erfolgt.
Falsche oder wenig geeignetste Schmiermittel und Dauerverschleiß der gehärteten Oberfläche durch jahrelangen Betrieb, tragen dazu noch extra stark bei.
Mit entsprechenden Additiven kann man dem gut vorbeugen bzw. weiteren Verschleiß stoppen ....
Z.B. https://www.mathy.de/produkte/mathe-classic.html
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Tim
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Re: Hubzapfen

Beitrag von Tim »

Gerd M. hat geschrieben:Also bei der Explosion, die immer in derselben Stellung Pleuel zum Hubzapfen erfolgt.
In einem Verbrennungsmotor explodiert glücklicherweise nix.... :pfeiffen:


Tim
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Re: Hubzapfen

Beitrag von Norton »

Explosion ist, wenn der Motor klingelt. Das will man ja vermeiden. :ideadev:
Ansonsten brennt das Gemisch ab, kontrolliert. :flamingdev:
Explosion kann auch sein, wenn ein Pleuel reißt, Kurbellwelle bricht, Gehäuse reißt..... :wall:
dann hilft auch Mathe nicht. So war es zumindest bei meinem Domi. Trotz Mathe nach vergessenem Ölhahn das rechte Pleuel rausgestreckt... :angel:

Gruß. Martin.
... der jetzt dann wieder in seine Werkstatt geht und der N15 wieder auf die Beine hilft. :onceldoc:
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Re: Hubzapfen

Beitrag von Tim »

Norton hat geschrieben:Explosion ist, wenn der Motor klingelt. Das will man ja vermeiden. :ideadev:
Daher das schnuckelige kleine Adjektiv "glücklicherweise".... :pfeiffen:


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Re: Hubzapfen

Beitrag von RoadRocket »

:bia: Danke allen..... und schön dass hier mal wieder eine spannende Diskusion ensteht ;-)

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Gerd M.
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Re: Hubzapfen

Beitrag von Gerd M. »

Oh man, so viel geballtes Wissen !
Ihr nehmt sicher nur linksdrehenden Joghurt zu euch ....
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Norton
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Re: Hubzapfen

Beitrag von Norton »

.... nein, aber dafür Kugelventile! :yau:

Gruß. Martin. :bgdev:
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Klaus Monning
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Re: Hubzapfen

Beitrag von Klaus Monning »

Hallo,
Dat is alles jarnich soooo einfach.
Im Ernst: wie wird eigentlich eine Unrundheit richtig gemessen? Es gibt Formen (beispielsweise ein Polygon) da misst Du mit dem Mikrometerbügel in jeder Winkellage immer das gleiche Maß und trotzdem ist das ganze ein Dreieck.
Bei den Kurbelwellen- Schleifmaschinen- Herstellern hat man dafür spezielle Messmaschinen mit nur einem Messtaster. Bei diesen Messmaschinen wird die Kurbelwelle senkrecht zwischen 2 Spitzen gespannt und die Hubzapfen mit diesem einen Messtaster abgetastet. Ein Rechen- Programm kompensiert dann den den Hub des Kurbelzapfens und wirft winkel für winkel das richtige Maß.
Stellt sich die Frage: warum wird die Kurbelwelle eigentlich senkrecht zum Messen gespannt? Klar, diese langen 12 Zyl.- Wellen biegen sich schon durch ihr Eigengewicht durch. Das Dumme ist, sie biegen sich in jeder Winkellage immer anders durch, weil dass Widerstandsmoment eben in jeder Winkellage ein anderes ist. Das hat mit den Kröpfungen durch die Hubzapfen zu tun. Aus diesem Grund sind diese Kurbelwellen gar nicht so einfach zu schleifen.
Ich selbst hab' war mal in einer solchen Firma (NAXOS UNION) beschäftigt. Dort hatten wir mal' eine BSA- A 65 Welle zur Kontrolle, weil der Kunde meines Freundes (Frank Just) die Rundheit des Hubzapfens angezweifelt hat. Wir waren damals verwundert, wie genau Frank mit seiner alten Schleifmaschine gearbeitet hat. Ich meine mich zu erinnern, das die KW nur um einige µm (ich glaube es waren nur 2) unrund war.
Gruß
Klaus
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