Betriebsblind (oder betriebsblöd?!)

Probleme mit Deinem Versager? Hier rein...
Antworten
Benutzeravatar
jan
Julio Matchlesias
Beiträge: 10907
Registriert: Freitag 4. August 2006, 23:17
Wohnort: 65779 Kelkheim

Betriebsblind (oder betriebsblöd?!)

Beitrag von jan »

Ich hab´ die Story schon im "befreundeten Jampot-Forum" gepostet, aber nach entsprechenden Andeutungen in einem meiner Triumph-Tiger-Threads muss ich meine Schmach wohl auch hier eingestehen.

Hallo zusammen,

eine meiner großen Schwächen beim Schrauben ist es wohl, dass ich vorgefundene Sachen erst einmal als gegeben hinnehme. Bei meiner Matchless G 12 CSR, die zwar inzwischen ge-TÜV-t und zugelassen ist, aber noch immer nicht richtig läuft, hat sich das leider wieder bewahrheitet.

Sie hat ja beim Fahren nie richtig Gas angenommen, hat gespotzt und geknallt und ist nie wesentlich über 80 km/h hinausgekommen. Na gut, dachte ich, der Zündmagnet ist wohl hinüber und es fehlt an Feinabstimmung. Zuletzt hatte ich sie auf der Bühne, habe den Magneten getauscht und wurde mit einem recht guten Startverhalten sowie ganz stabilen Leerlauf belohnt. Der erneute Fahrversuch fehlte aber noch, da mir ja zwischenzeitlich eine Triumph Tiger 650 von 1972 zugelaufen ist, die ich für einen Freund wieder zum Laufen bringe und der ich den Platz auf der Bühne freigeräumt habe.

Die Vergaserprobleme der Tiger sind es auch, die mich zur reumütigen Einsicht gebracht haben, dass man sich einfach ALLES anschauen muss, wenn man einem Motorrad nicht traut. Der Concentric der Tiger, insbesondere das Zwei-Kanal-System von Luft- und Spritzufuhr im Leerlauf, hat mich AMAL-Grundlagenforschung betreiben lassen - warum habe ich Idiot das eigentlich bisher nie in letzter Konsequenz betrieben? (Wahrscheinlich, weil meine beiden bisherigen Matchies mit ihren Vergasern problemlos laufen und immer gut einzustellen waren.)
Nachdem ich also am Concentric-Vergaser der Triumph endlich beide LL-Kanäle gesäubert und durchlässig gemacht hatte, sprang das Motorrad auf Anhieb ohne Choke an (erstmalig!) und ließ sich auf einen stabilen Leerlauf bei knapp unter 1.000/min einregulieren. Das erinnerte mich wiederum daran, dass meine G 12 CSR für mich die erste Engländerin war, die den Choke zum Starten brauchte und nur sehr unwillig im Leerlauf "am Leben blieb".

Kurzum, in der Hochstimmung des Schrauberabends habe ich der G 12 CSR kurzentschlossen den AMAL Monobloc heruntergerissen und zerlegt, um - wie bei der Triumph - über verstopfte Leerlaufdüsen u.ä. den Startschwierigkeiten auf den Grund zu gehen. Und wie bei der Triumph habe ich mich erstmalig bewusst mit Nadelgrößen (Pilot Jet, Needle Jet, Main Jet) befasst. Okay, Pilot Jet Größe 30 - sollte passen. Needle Jet Größe 106, geht ebenfalls i.O. Main Jet... Main Jet... ? Main Jet??!!! Bis ich feststellte, dass in dem komischen Düsenstock des Monobloc, der nach unten hin noch mit so einer Art "aufgeschraubtem Eimer" verschlossen ist, überhaupt keine Hauptdüse drin war... Und ich merke das erst, nachdem das Motorrad schon seit fast einem dreiviertel Jahr bei mir steht...

Ich weiß, es ist peinlich und beschämend. Aber, siehe oben: Ich hatte bisher einfach keine Veranlassung gesehen, da mal hineinzuschauen, und war, wegen diverser Magnet- und Undichtigkeitsprobleme, immer nur kurze Stücke auf der Straße "probegerollt". Bis die (markenfremde) Gastlady auf der Hebebühne mich mit der Nase auf das Vergaserthema gestoßen hat. Die Moral von der Geschichte? Schau überall hinein, nimm alles auseinander, glaube keiner Beteuerung vom Kaliber "Alles ist restauriert/komplett überholt". Das bewahrt einen auch vor eigener Betriebsblindheit/-blödheit.

Im Neill (Schrauber-Bibel für AMC-Eigner) habe ich dann gleich mal die gängigen Größen für die Hauptdüse eruiert und bin für die G 12 CSR bei 450 gelandet!! Das erscheint mir sehr groß, andererseits bestätigen es alle anderen Quellen auch (z.B. Roy Bacons Restoration Guide). Hat jemand von Euch hierzu Erkenntnisse? Es handelt sich beim Vergaser um einen 389er Monobloc, der auf dem zylinderkopfseitigen Flansch die Stempelung "389/83" trägt. Danke für alle weitergehenden Informationen!

Ich habe nun bei http://www.amalcarb.co.uk einen kompletten Monobloc-Repair kit und diverse andere Kleinartikel (u.a. noch zwei Hauptdüsen, je einmal eine 400er und eine 420er) bestellt. Mal sehen, wann´s weitergehen kann... Und was dabei herauskommt...

Danke vorab, und viele Grüße - Jan

Ergänzung:
Was ich zwischenzeitlich noch (heraus-)gefunden habe, ist das Datum 9-63 auf der Unterseite des Zylinderkopf-Flansches. Ganz offensichtlich bezeichnet diese Prägung das Produktionsdatum September 1963, und ebenso offensichtlich, dass der Vergaser ursprünglich nicht zu diesem Motorrad gehört hat (denn das stammt ja aus dem Jahr 1961). Die beigefügte Liste habe ich durch Googlen gefunden, danach gehört ein Vergasertyp 389/83 zu einer 350er BSA Einzylinder (!!). Macht aber wohl nix - Hauptsache, ich habe einen 1-1/8" Lufttrichter und bedüse korrekt. (In diesem Fall: 450er Hauptdüse, da ich ja "offen"/ohne Luftfilter fahre.)
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
May our engines never run out of oil, fuel and sparks!
Benutzeravatar
jan
Julio Matchlesias
Beiträge: 10907
Registriert: Freitag 4. August 2006, 23:17
Wohnort: 65779 Kelkheim

Re: Betriebsblind (oder betriebsblöd?!)

Beitrag von jan »

Tja, alleine die Vergaserrevision war auch noch nicht der Bringer... aber der Reihe nach.

Also, Burlen Fuels Ltd. (www.amalcarb.co.uk) kann ich schon mal empfehlen. Zügige Abwicklung, guter Service, akzeptable Preise, gutes Sortiment.

Der Monobloc ist nicht nur wieder zusammengebaut, sondern hat nun auch eine Hauptdüse ( :oops: :mrgreen: ), einen neuen Benzinfilter, rundum neue Dichtungen und ist tatsächlich tropffrei. So weit, so gut.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ich einen revidierten Magneten eingebaut und sehr sorgfältig die Zündung eingestellt habe. (Der alte Magnet war sicherlich ebenfalls Teil des Problems.)

Das Motorrad läuft nun schon viel besser - aber immer noch nicht wirklich gut. Insb. beim Übergang vom Leerlauf zum Teillastbereich verschluckt sie sich bzw. nimmt kein Gas an und fängt erst dann zögerlich/widerwillig an, höherzudrehen.
Die Düsennadel hängt in Position 3, also der mittleren Kerbe. Nun steht aber bei F. W. Neill und Roy Bacon, dass serienmäßig Position 4 vorgesehen ist. Nach meiner Theorie läuft sie im mittleren Drehzahlbereich zu mager, so dass ich - für fetteres Gemisch und bessere Gasannahme im Teillastbereich - die Nadel (mind.) eine Kerbe höher hängen müsste. Das würde mit den Neill-/Bacon-Angaben übereinstimmen; vorausgesetzt, man zählt die Kerben von oben nach unten aufsteigend durch (oberste Nadelkerbe = Position 1 = tief hängende Nadel = mageres Gemisch, späte Anreicherung; unterste Nadelkerbe = Position 5 = hoch hängende Nadel = fettes Gemisch, frühe Anreicherung).

Kann es tatsächlich sein, dass sich eine nur um eine Position veränderte Nadel so massiv auf das Laufverhalten des Motors auswirkt? Okay, ich werde es sowieso ausprobieren, ich war nur gestern Abend um viertel vor 9 zu faul, den Vergaser noch mal ab- und auseinanderzubauen. Aber vielleicht habt Ihr ja einschlägige Erfahrungswerte.
Ich hoffe, ich kriege den Motorlauf über die Vergaserabstimmung in den Griff - nicht, dass der Motor"restaurator" am Ende die Nockenwellen falsch eingebaut und die Steuerzeiten verwurstet hat...

Startverhalten und Leerlauf sind aber tadellos. Die G 12 CSR springt jetzt tatsächlich auf den ersten Tritt an, und zwar ohne Choke. Ich wähne mich also zumindest auf dem richtigen Wege...

Cheers, Jan
May our engines never run out of oil, fuel and sparks!
Benutzeravatar
Martin
Mutti
Beiträge: 18494
Registriert: Donnerstag 3. August 2006, 08:08
Wohnort: "Borgholzhausen"...es heißt "Borgholzhausen"
Kontaktdaten:

AW: Betriebsblind (oder betriebsblöd?!)

Beitrag von Martin »

jan hat geschrieben:Tja, alleine die Vergaserrevision war auch noch nicht der Bringer... aber der Reihe nach.

Also, Burlen Fuels Ltd. (http://www.amalcarb.co.uk) kann ich schon mal empfehlen. Zügige Abwicklung, guter Service, akzeptable Preise, gutes Sortiment.

Der Monobloc ist nicht nur wieder zusammengebaut, sondern hat nun auch eine Hauptdüse ( :oops: :mrgreen: ), einen neuen Benzinfilter, rundum neue Dichtungen und ist tatsächlich tropffrei. So weit, so gut.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ich einen revidierten Magneten eingebaut und sehr sorgfältig die Zündung eingestellt habe. (Der alte Magnet war sicherlich ebenfalls Teil des Problems.)

Das Motorrad läuft nun schon viel besser - aber immer noch nicht wirklich gut. Insb. beim Übergang vom Leerlauf zum Teillastbereich verschluckt sie sich bzw. nimmt kein Gas an und fängt erst dann zögerlich/widerwillig an, höherzudrehen.
Die Düsennadel hängt in Position 3, also der mittleren Kerbe. Nun steht aber bei F. W. Neill und Roy Bacon, dass serienmäßig Position 4 vorgesehen ist. Nach meiner Theorie läuft sie im mittleren Drehzahlbereich zu mager, so dass ich - für fetteres Gemisch und bessere Gasannahme im Teillastbereich - die Nadel (mind.) eine Kerbe höher hängen müsste. Das würde mit den Neill-/Bacon-Angaben übereinstimmen; vorausgesetzt, man zählt die Kerben von oben nach unten aufsteigend durch (oberste Nadelkerbe = Position 1 = tief hängende Nadel = mageres Gemisch, späte Anreicherung; unterste Nadelkerbe = Position 5 = hoch hängende Nadel = fettes Gemisch, frühe Anreicherung).

Kann es tatsächlich sein, dass sich eine nur um eine Position veränderte Nadel so massiv auf das Laufverhalten des Motors auswirkt?
Cheers, Jan
Jo.
Als ich den Triple auf Amals rückgerüstet hatte war ich auch irritiiert. Ich hatte die Zündung in Verdacht.
Also mittlere Position gab bei 3 - 4000 massives gestotter.
Nadel höher und es lief gut.
When a motorcycle is actually ridden, it takes on a similar "patina" of use

Craig Vetter
Benutzeravatar
jan
Julio Matchlesias
Beiträge: 10907
Registriert: Freitag 4. August 2006, 23:17
Wohnort: 65779 Kelkheim

Re: Betriebsblind (oder betriebsblöd?!)

Beitrag von jan »

Eine Sache ist mir noch eingefallen, ich frage (trotz bereits getätigter Foren-Suche und Literaturstudium) frech in die Runde:

Nach der eingangs beigefügten Liste über die verschiedenen AMAL-Typen und -Bestückungen müsste mein 389/83 zu einer 350er BSA gehören, mit 30er Pilot-Jet, 200er Main-Jet, 106er Needle-Jet und 3.5er Schieber; Nadel in der 3. (mittleren) Position.
Für meine "dicke" Matchless ist eine Bestückung mit 20er Pilot-, 450er Main-, 106er Needle-Jet und Nadel in der 4. Kerbe vorgesehen; Schieberausschnitt = 4.
Das Mischrohr hat in beiden Fällen 1-1/8" Durchmesser, ich gehe also mal stark davon aus, dass das Gehäuse identisch ist.

Die vorgefundene falsche bzw. fehlende Bedüsung habe ich bereits korrigiert, nun will ich ja - wie bereits geschrieben - die Nadel noch "eins höher" hängen. Wenn nun der Schieber tatsächlich ein 3.5er ist: Kann auch das noch zu den erwähnten Problemen führen bzw. beitragen?
Noch habe ich nach dem Schieberausschnitt nicht geschaut, aber ich wäre ein Idiot, wenn ich den Vergaser nur wegen der Nadelposition auseinandernähme und das Problem dann anschließend wegen falschen Schiebers immer noch nicht beseitigt ist...

Macht der Unterschied zwischen 3.5 (= 5,56 mm) und 4.0 (= 6,35 mm) da etwas Entscheidendes aus?

Danke für Eure Expertise, und Gruß - Jan
May our engines never run out of oil, fuel and sparks!
Benutzeravatar
pug
Site Admin
Beiträge: 1790
Registriert: Samstag 25. September 2010, 22:47
Wohnort: Planet Erde (zumindest physisch)

Re: Betriebsblind (oder betriebsblöd?!)

Beitrag von pug »

Dank meiner neusten errungenschaft:

G12CS, 31CS,G12CSR, 31CSR 1960-61 650cc:
389/49 1 1/8" - 376/100-450 MainJet, 376/076-20 Pilot, 376/072-106 Needlejet, 4 389/0604 throttle valve, Ferrule 6/123A, Air Tube 389/098.

G12CSR 1962-66 646cc::
389/92 1 1/8" - 376/100-450MainJet, 376/076-20 Pilot,376/072-106 Needlejet, 4 Needleposition, 389/0604 throttlevalve, When Air Cleaner Fitted Use Main Jet 376/100-390.

Twin Speed Kit &G12CSR (U.S.A) 1962-65:
389/73 und /74 1 1/8" 376/100-280 MJ, 376/076-25PJ, 376/072-106NJ 3 Needleposition, 389/0604 throttlevalve remarks:Banjo 376/098, Banjo 376/141
(Bottom Link), Holding Bolt 376/140, Paired with 389/74.
Benutzeravatar
jan
Julio Matchlesias
Beiträge: 10907
Registriert: Freitag 4. August 2006, 23:17
Wohnort: 65779 Kelkheim

Re: Betriebsblind (oder betriebsblöd?!)

Beitrag von jan »

Pug, und jetzt bitte noch ein Statement zu meiner Schieberfrage! [-o<
May our engines never run out of oil, fuel and sparks!
Benutzeravatar
pug
Site Admin
Beiträge: 1790
Registriert: Samstag 25. September 2010, 22:47
Wohnort: Planet Erde (zumindest physisch)

Re: Betriebsblind (oder betriebsblöd?!)

Beitrag von pug »

Eigentlich wollte ich meinen letzten Beitrag löschen da du die WErte ja schon gefunden hattest. - scheint nicht funktioniert zu haben..
Ich kann Deine Frage nicht rwirklich beantworten.
Ich würde aber den 4er Schieber nehmen nicht den 3,5er. wenn der ausschnitt kleiner ist wird das gemisch angereichert. Bei Vollgas nicht mehr ;)
Wenn Du den dringend brauchen solltest könntes du beim christoph (motorradrestauration) nachfragen ob er ihn hat - ich könnte ihn dir dann abholen und per post schicken. (Spart die Überweisungszeit und ich habe nen Grund zu fahren ;) )
Benutzeravatar
jan
Julio Matchlesias
Beiträge: 10907
Registriert: Freitag 4. August 2006, 23:17
Wohnort: 65779 Kelkheim

Re: Betriebsblind (oder betriebsblöd?!)

Beitrag von jan »

Danke, Pug, ich komme ggf. drauf zurück... Habe gerade mit P.W. telefoniert. Er meint, ich solle mich getrost auf die Veränderung der Nadel-Position beschränken, zumal der größere Ausschnitt im Teillastbereich das Gemnisch wieder abmagert, was der Anreicherung durch die höhere Nadelposition teilweise entgegenwirkt. Zur Not könne/solle ich den Ausschnitt manuell nacharbeiten (es geht ja letztlich nur um 0,8 - 0,9 mm Unterschied).

Also, so werd´ ich das als Nächstes dann mal ausprobieren.
May our engines never run out of oil, fuel and sparks!
Antworten